„An den Scheidewegen des Lebens stehen keine Wegweiser.“
Charlie Chaplin
Warum es uns so schwerfällt, Entscheidungen zu treffen
Dass es uns so schwerfällt, Entscheidungen zu treffen, hat unter anderem kulturelle Gründe. In den westlichen Industrienationen ist das Streben nach Freiheit sehr tief verankert. Zudem sind wir heutzutage so frei wie nie zuvor – bei der Berufswahl stehen uns, egal ob Frau oder Mann, alle Türen offen, und auch in Sachen Partnerwahl und allgemeine Lebensgestaltung schreibt uns niemand mehr etwas vor. Dazu gehört aber auch, dass wir immer mehr Möglichkeiten haben, unsere Identität selbst zu erfinden und zu gestalten – dass fängt bereits bei Kleinigkeiten wie der Wahl des Kaffees am Morgen oder der Urlaubsgestaltung an.
Barry Schwartz beschreibt die negativen Effekte der großen Wahlfreiheit in seinem Buch „The paradox of choice“: Die Vielfalt an Optionen führt zunächst zu einer Lähmung statt befreiend zu wirken. Die Angst, die falsche Entscheidung zu treffen, führt viele Menschen in eine Falle – in der Konsequenz fällt es vielen Menschen schwer, überhaupt eine Entscheidung zu fällen. Und selbst, wenn wir eine Entscheidung treffen, sind wir mit dieser häufig weniger zufrieden, als wenn wir weniger Möglichkeiten gehabt hätten.
“Learning to choose is hard. Learning to choose well is harder. And learning to choose well in a world of unlimited possibilities is harder still, perhaps too hard.”
― Barry Schwartz, The Paradox of Choice: Why More Is Less

Unzufriedenheit und Zweifel – weshalb sind Entscheidungen stressig?
Dass Entscheidungen uns herausfordern und häufig zu Unruhe und Unzufriedenheit führen, hat mehrere Gründe.
Richtig oder falsch: Wir wollen naturgemäß die richtige Entscheidung treffen. Umso mehr Möglichkeiten wir haben, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass wir die „falsche“ Entscheidung treffen oder unsere Entscheidung zumindest ständig hinterfragen.
Unsere Zufriedenheit leidet darunter erheblich. Was wir dabei vergessen, ist, dass es die perfekte Lösung nicht gibt – richtig und falsch sind einfach keine guten Bewertungskriterien für Entscheidungen.
Bei der Entscheidung für oder gegen eine Alternative fallen automatisch Opportunitätskosten an: Wenn wir uns für eine Alternative entscheiden, entscheiden wir uns automatisch gegen eine andere – wir bezahlen einen Preis für unsere Entscheidung. Nach unserer Entscheidung werden die vielen Alternativen von uns ständig bewertet und verglichen. Häufig erscheinen uns die Alternativen dabei attraktiver als die von uns gewählte – unsere Zufriedenheit sinkt.
Unsere Erwartungen orientieren sich normalerweise an der Perfektion – eine Eskalation der Erwartungen sowie eine Anpassung an die Realität findet nicht statt. Die Vielfalt an Möglichkeiten erhöht zudem unsere Erwartungen an die Qualität dieser Möglichkeiten. Viele Möglichkeiten machen also nicht unbedingt zufriedener – häufig ist das Gegenteil der Fall. Besonders gut zu beobachten ist dieses beim Vergleich von Menschen heutzutage und früheren Generationen: Obwohl die Menschen vor einigen Jahrzehnten noch sehr viel weniger Möglichkeiten hatten und Partner- und Berufswahl in der Regel stark vom Umfeld geprägt waren, waren die Menschen früher nicht automatisch unglücklicher.
Entscheidungen aktiv und sinnstiftend treffen
Entscheidungen sind dann schwierig, wenn jede Alternative sowohl überzeugende als auch weniger überzeugende Aspekte mit sich bringt. Viele Menschen wählen in diesem Fall die vermeintlich sicherere Alternative – beispielsweise die, die wirtschaftliche Vorteile bedeutet oder weniger Risiken beinhaltet. Dabei gibt es aber keine richtige oder falsche Entscheidung – und genau darum sind schwierige Entscheidungen so schwierig.
Entscheidungen sollten nicht in erster Linie rational auf Basis von Fakten und Vernunft fallen- dies entspricht nicht unserer Lebensrealität. In einer Welt, in der die Vernunft regiert, fallen Entscheidungen leicht, es gibt ein richtig und ein falsch. Menschen werden zu Sklaven der Vernunft, Authentizität geht verloren. Für die grosse Liebe auswandern, sich als Designer selbständig machen oder in den Tag hineinleben würde in einer solchen Welt kein Mensch.
Da es in unserer Realität aber häufig keine «bessere» oder «schlechtere» Entscheidung gibt und die möglichen Lösungen schwieriger Entscheidungen im gleichen Wertebereich liegen ist ein neues, alternatives Entscheidungsmodell mit anderen Kategorien als «gut» oder «schlecht» erforderlich. Auch schwierige Entscheidungen aktiv zu treffen bedeutet, sich nicht einfach treiben zu lassen. Wer letzteres tut, läuft Gefahr, eher gelebt zu werden, als selber bewusst zu leben.
Wie also entscheiden? Halte dir am besten vor Augen, dass beide Alternativen gleich gut sind. Der Schlüssel zum Entscheiden liegt nämlich nicht in wissenschaftlichem Denken – Entscheidungen lassen sich nicht rational kategorisieren. Stattdessen sollten wir unseren Entscheidungen Sinn geben und unser Leben durch Entscheidungen gestalten. Gleichwertige Alternativen geben uns die Macht, unsere eigenen Gründe zu erschaffen und unser Leben bewusst zu gestalten – wir werden zu Autoren unseres eigenen Lebens, statt nach äusseren gründen und Argumenten zu suchen. Es ist dann ganz allein unsere Entscheidung, ob eine Entscheidung richtig ist. Wer schwierige Entscheidungen als Geschenk statt als Belastung empfindet, hat viel gewonnen.
Schwierige Entscheidungen spielen eine wichtige Rolle in unserem Leben – sie tatsächlich zu verstehen und unsere Macht der Gestaltung zu nutzen enttarnt eine neue, bisher versteckte Energie: Die Energie, die das Menschsein so besonders und uns zu Sinnstiftern macht.
Entscheidungen treffen – Schritt für Schritt
- Überwinde die Lähmung: Schreibe alle Optionen auf und bewerte diese spontan aus dem Bauch heraus auf einer Skala von 1-10 (1 = überhaupt nicht attraktiv bis 10 = sehr attraktiv). Wähle zwei Optionen mit den zwei höchsten Attraktivitätswerten.
- Erstelle eine Pro- und Contra Liste für die zwei Optionen. Hierbei kannst du die einzelnen Pros und oder Contras mit einer Wichtigkeit von 1-10 versehen.
- Versuche es, falls möglich, mit einem Reality Check. Falls du überlegst, den Beruf zu wechseln, bietet sich ein Praktikum oder eine Testphase im neuen Beruf an. Du willst auswandern? Vielleicht solltest du zuerst einmal ein Sabbatical von 3 Monaten in deinem Traumland verbringen.
- Kehre dem Perfektionismus den Rücken, entscheide dich für eine Option und mache das Beste draus.
Um Unzufriedenheit zu vermeiden, solltest du die Entscheidung nicht mehr ständig hinterfragen.